Konzeptalben sind Uncle Acid & The Deadbeats nicht fremd. Bisher hatte noch jedes Werk ein Grundthema, das immer im Horror-Genre lag. Wir hatten Vampire, Serienkiller, die Apokalypse. Mit der neuesten Platte treiben es die Briten nun aber auf die Spitze.
„Nell’ ora blu“ (Rise Above) blickt zurück auf die Zeiten des Giallo. Kurzer Exkurs: Der Begriff Giallo beschreibt kleine, dreckige Krimis, die explizit oder besonders abgründig sind. Entwickelt in Italien in den 1960ern, gab es in den 1970ern eine wahre Schwemme.
Besonders waren auch oft die Soundtracks, die von Größen wie u.a. Goblin, Fabio Frizzi oder Ennio Morricone stammten und psychedelische Klänge zu brutalen Szenen servierten.
Uncle Acid & The Deadbeats wollen mit ihrem Werk keinen Soundtrack zu einem imaginären Film liefern. Man kann „Nell’ ora blu“ eher als Hörspiel begreifen. In den Hauptrollen finden sich zwei Giallo-Legenden: Edwige Fenech und Franco Nero. Stilecht wird Italienisch gesprochen, Kevin Starrs funkt als Erzähler nur selten dazwischen. Es steht ohnehin das Hörerlebnis und die Atmosphäre im Vordergrund, egal, um was es da jetzt genau geht.
77 Minuten lang ist das Album. Ein Mammutwerk. Trägt es? Die Hürde ist tatsächlich ziemlich hoch. Womöglich deshalb, weil man sich unter dem Namen Uncle Acid & The Deadbeats anderes erwartet hätte. Der vertraute doomige Psych Rock taucht hier nur selten auf. Man ist auch musikalisch der Giallo-Vorlage verpflichtet.
Stimmungsvolle Sounds, mal mit Synthie, dann mit kitschiger Gitarre aufgetragen. Ein wenig Spaghetti, ein bisschen Jazz. Aber kein Doom, kein Psych Rock. Hat man sich damit angefreundet, entwickelt das Album seinen Reiz.
Gediegen fließt die Platte dahin, wütende Telefongespräche funken dazwischen. Die Wogen gehen hoch, dann entspannt sich die Situation. Spannend, mitreißend und wirklich einzigartig. Die Band ist ein Wagnis eingegangen und hat gewonnen.
Vorschlag: Mit „Pomeriggio di Novembre Nel Parco – Occhi che Osservano“ beginnen. Man ist zwar irgendwo im Gesamtstück, kann aber einen guten Eindruck gewinnen. Ein zunächst komplizierter Track, der sich dramatisch zu einem Rock-Ausbruch steigert. Die Welt ist aus den Fugen.
Uncle Acid & The Deadbeats – Nell’ ora blu: Es gibt wohl nichts Vergleichbares. – RIFL